Portrait der Esel aus der Eselsmühle im Siebenmühlental
Portrait der Esel aus der Eselsmühle im Siebenmühlental

Ein Stein im Huf lässt mich nicht lahmen, Tl. 1

Ein Loblied auf den Esel, den anspruchslosen Lastenträger des Menschen aus vergangenen Tagen.

Die Pferde der Hoffnung galoppieren, doch die Esel der Erfahrung gehen im Schritt. (Aus China)

"Nur langsam - gemach, gemach! Bedachtsam geh' ich meinen Weg, es geht steil bergan und ich setze gemächlich meine schmalen Hufe auf dem steinigen Pfad. Nur Ruhe und Gleichmut, so kann ich meine Last tragen, die Säcke sind nicht schwer, insgesamt etwa nur 60 kg nach Ermessen der Zweibeiner. Da murre ich nicht, und ich würde auch nicht murren, wenn die Last doppelt so schwer wäre. Wir sind es gewohnt, schwere Lasten zu tragen, schon seit 6000 Jahren. Mit unserer Hilfe wurden die Pyramiden erbaut, griechische und römische Kunstwerke und Denkmale. Die Erze der Bergwerke und das Salz haben wir getragen, das Getreide zu den Mühlen und die Säcke voll Mehl zurück zu den Mahlgästen. Ja, ja - nur Ruhe - nur im Gleichmaß der Schritte geht es sicher zum Ziel. O, da hat sich ein Steinchen in meinen rechten Vorderhuf verirrt, aber ich lahme nicht, das schaffe ich schon - ich lahme erst, wenn ich am Ende meiner Kraft bin und das dauert lange. Geduld ist die Voraussetzung für die Erfüllung meiner Aufgabe. Ich laufe gerne noch einige Kilometer, die Hauptsache ich habe nachher ein bisschen Gras oder ein Bündel Heu, ein paar Hände voll Mais oder Hafer wären auch nicht schlecht. Zufrieden bin ich mit dem, was man mir gibt, und wenn es mal zu viel Futter ist, kann ich mich einteilen. Nie werde ich mich überfressen. Das habe ich schon früh von meiner Mama gelernt. Sie hat mir erzählt, dass wir von der Familie der Esel etwa ein Jahr im Bauch der Mutter verbringen und dann zur Welt kommen, ich war ungefähr 10 kg schwer (wenn wir ausgewachsen sind, können wir bis zu 400 kg wiegen), aber ich wollte sofort schon laufen, spielen und springen. Mama hat mich über ein halbes Jahr gesäugt und dann habe ich mir schon selbst das Futter gesucht. Von Mama weiß ich auch, dass wir Haus-Esel vom nordafrikanischen Wildesel abstammen, dass wir zur gleichen Tierfamilie wie die Pferde und diese gestreiften Pferde-ähnlichen gehören, ach, ja - Zebras heißen die wohl. Mit meinem ausgezeichneten Geruchssinn kann ich schnell Nahrung und Wasser finden, viel Schlaf brauche ich nicht; denn ich bin Tag- und Nacht-aktiv. Drei Stunden Schlaf, mit Unterbrechungen, genügen mir. Ja, ja - schau' mich nur an, ich habe ein richtig graues Eselsfell, deswegen heiße ich auch Grisotto (was soviel wie grauer Otto heißt). Aber viele Verwandten haben ein ganz anderes Aussehen, sie sind gescheckt oder sogar ganz weiß oder sind mit einem Zottelfell gewandet. Bewunderst du jetzt meine schönen großen Augen, sie sind doppelt so groß wie die eines Elefanten oder eines Wals. Wie alt ich wohl werde? Wenn ich so alt werde wie mein Großvater Theo, dann schaffe ich 40 Jahre, Tante Paula dagegen ist nur 25 geworden. Es heißt, dies sei das Durchschnittsalter von uns Haus-Eseln (Equus asinus, asinus). Es gibt nicht mehr viele von uns in Mittel- und Nordeuropa. Da wohnen wir in Zoos, in Eselparks oder auf speziellen Höfen. Nur im südlichen Europa tragen wir noch in unwegsamen Gebieten die Lasten von Dorf zu Dorf...

Baby-Esel in Hahnenfuß-Wiese - Foto c) Pinterest
Baby-Esel in Hahnenfuß-Wiese - Foto c) Pinterest

... Halt, was ist das? Da steht etwas im Weg, das kenne ich nicht. Sonst hat so ein Dings, so ein Busch grüne Blätter, bei diesem Dings ist alles gelb. Das kenne ich nicht, da muss ich warten, das schaue ich mir in Ruhe an. Schade, dass Mama nicht da ist, die wüsste sicher Bescheid. Am besten ich rufe nach einem Artgenossen, der mich unterstützen kann, ich bin doch zu misstrauisch... I-A, I-AAA...

Mutttertier und Junges c) Pinterest
Mutttertier und Junges c) Pinterest

Es ist kein Artgenosse gekommen... Da muss ich jetzt doch noch ein bisschen die Lage sondieren. Ich bin kein Pferd, das flüchtet, wenn es erschrickt - "scheut" sagt der Zweibeiner. Ich brauche Ruhe und Zeit, um festzustellen worum es sich handelt und wenn es sein muss, trete ich auch 'mal zu! Es nützt nichts, wenn man mich anschreit oder schlägt. Da bleibe ich erst recht stehen, bewege meine großen Ohren (etwa 20 cm); denn, wenn es ungemütlich wird, muss ich trotzdem mit der Situation klar kommen. Also, dieses gelbe Zeugs da, bewegt sich im Wind, eine Gehörnte kommt, heißt glaube ich Ziege, knabbert an den Zweigen. Ist alles also harmlos, es kann jetzt weitergehen, immer gemütlich und im gleichen Tempo...

Seth, altägyptischer Gott mit Eselskopf
Seth, altägyptischer Gott mit Eselskopf

Meine Mama hat mir auch erzählt, dass unsere Vorfahren schon 4000 v. Chr. in Ägypten Haustiere waren und der Wüstengott Seth einen Eselskopf trug, bei der Geburt von Jesus dabei waren, ihn als Baby auf seiner Flucht nach Ägypten getragen und auch wieder zurückgebracht haben. Ija, ein Eselsfüllen hat ihn unter Hosianna-Rufen nach Jerusalem gebracht... Der Bileams-Esel konnte sich sogar in der Menschensprache verständigen, bekannt ist auch, dass der römische Kaiser Caligula einen Esel zum Senator ernannt haben soll (passiert heute auch noch oft). Ija, ija - es gibt auch einen Sack voll Märchen, Geschichten und Fabeln, in denen die Esel eine Rolle spielen. Eines der bekanntesten Märchen heißt die "Bremer Stadtmusikanten" oder der Goldesel im "Tischleindeckdich" und hie und da hat's auch ein lustiges Eselsgedicht, z. B. von Wilhelm Busch:

Der Esel

 Es stand vor eines Hauses Tor
Ein Esel mit gespitztem Ohr,
Der käute sich sein Bündel Heu
Gedankenvoll und still entzwei.
Nun kommen da und bleiben stehn
Der naseweisen Buben zween,

die auch sogleich, indem sie lachen,
verhasste Redensarten machen,
womit man denn bezwecken wollte,
dass sich der Esel ärgern sollte.
Doch dieser hocherfahr'ne Greis
beschrieb nur einen halben Kreis,
verhielt sich stumm und zeigte itzt
die Seite, wo der Wedel sitzt.  

So, und jetzt geht's gleich bergab, ich habe genug geplaudert und muss meine Arbeit tun ... immer ruhig und im Passgang"... 

 

 

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